SGB II - Zur Bedarfsgemeinschaft

Verzicht auf einen Rechtsanspruch zur Deckung des Exitstenzminimums

SGB II - Zur Bedarfsgemeinschaft

Der Begriff der »Bedarfsgemeinschaft« ist in das deutsche Recht durch die Hartz-IV-Reform eingeführt worden. Er ordnet sich in das sonst herrschende Rechtssystem nicht ein und nimmt auf familienrechtliche Ansprüche keine Rücksicht. Die Regelungen sind verwirrend und zuweilen unverständlich (vgl. Schoreit: FPR 2007, 364).

Kritik wird auch vom Richter am Bundessozialgericht Wolfgang Spellbrink geäußert (Spellbrink: Die Bedarfsgemeinschaft gemäß § 7 SGB II eine Fehlkonstruktion? (NZS 2007, 121)).

Die Fragen beginnen damit herauszufinden, wann eine Bedarfsgemeinschaft vorliegt. Dabei geht es darum festzustellen, ob über ein Zusammenleben der Lebensunterhalt des Bedürftigen so abgesichert wird, dass der Staat, der nach dem Sozialstaatsprinzip verpflichtet ist, das Existenzminimum des Einzelnen sicherzustellen, den Bedürftigen auf das Einkommen eines anderen verweisen darf, der deshalb Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft mit daraus folgenden faktischen aber gesetzlich nicht geregelten Pflichten wird.

Das Gesetz geht von einer Einbeziehung in eine Bedarfsgemeinschaft bei einer Person aus, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.

Davon wird z. B. ausgegangen, wenn so zusammengelebt wird, dass man im Prinzip heiraten oder einer Lebenspartnerschaft eintragen lassen könnte und aus „einem Topf wirtschaftet.«

Der Begriff der »eheähnlichen Gemeinschaft« ist zum 31.7.2006 an dieser Stelle aufgegebenen worden.

Weil der wechselseitige Wille, Verantwortung für den anderen zu übernehmen schwer feststellbar ist, hat der Gesetzgeber Vermutungsregelungen aufgestellt:

Dieser Wille wird nach heutiger Rechtslage widerlegbar vermutet, wenn Partner

länger als ein Jahr zusammenleben,
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

Diese aktuellen gesetzlichen Kriterien sind einer »verständigen« Würdigung zu unterziehen. D.h., nicht jede Übereinstimmung begründet eine Bedarfsgemeinschaft, allerdings werden dem Bedürftigen Beweislasten aufgebürdet. Der Gegenbeweis bleibt möglich.

Die Rechtsprechung nutzt auch noch weitere Kriterien. So wurde in der Vergangenheit nach gemeinsamen Urlaubsreisen gefragt. Weiter danach, wie Feiertage, wie z.B. Geburtstage verbracht werden.

Umstritten ist der Beweiswert von Wohnungsbesichtigungen durch die Behörde, zumal unter Beachtung von Art. 13 Grundgesetz, nach dem die Besichtigung auch verweigert werden kann.

Verfassungsrechtliche Bedenken ergeben sich insbesondere daraus, dass der Bedürftige bei Annahme einer Bedarfsgemeinschaft gegen niemanden mehr ein Rechtsanspruch auf Sicherstellung seines Unterhalts haben kann.

Eine Kritik zu dem Konzept der Bedarfsgemeinschaft hat Roland Rosenow in einer Besprechung des Urteils des Bundessozialgerichts vom 18.6.2008 - B 14 AS 55/07 R in der Zeitschrift SGb, September 2009 Seite 548, 555 veröffentlicht:

Der Autor kritisiert hier ein Rückzug des Staates und eine alleinige Verantwortung der Familie für die wirtschaftlich Schwachen. Er verweist auf die damit verbundene Belastung der Familie und die Folgen für die Freiheitsrechte derjenigen, die damit vom Wohlwollen anderer abhängig sind. Kritisiert wird auch die Konzeption, wonach sich der Bedürftige Leistungen von Personen holen müsse, gegen die er keinen Rechtsanspruch habe. Dies kollidiere mit dem Rechtsanspruch auf Sozialleistungen gemäß § 38 SGB I und sei mit dem Sozialstaatsgebot und mit der Menschenwürde gemäß Art. 1 Abs. 1 GG unvereinbar.

Kritik an Vermutungsregelungen, die mit dem Ziel des Ausschlusses eines Anspruches auf Sozialleistungen angewandt werden, hat es bereits vor Einführung von Hartz IV gegeben. Das Bundesverwaltungsgericht hat im Zusammenhang mit Vermutungsregelungen über das Bestehen und Umfang von Unterhaltsleistungen sinngemäß darauf hingewiesen, dass die Nutzung gesetzlicher Vermutungen nicht die Auflösung der Haushaltsgemeinschaft provozieren dürfe (BVerwGE 52, 223).